In den kommenden Jahren wird die bestehende KZ-Gedenkstätte Gusen wesentlich erweitert. Nach Abschluss des Beteiligungsprozesses zur Einbindung internationaler, nationaler und regionaler Interessensgruppen liegen nun die Ergebnisse in Form des Masterplans vor. Link zum Endbericht
Das KZ Gusen war ein Zweiglager des Konzentrationslagers Mauthausen. Es wurde ab Ende 1939 errichtet. Im Mai 1940 registrierte die SS dort die ersten Häftlinge. Anfang 1944 wurde das KZ Gusen um den Lagerteil Gusen II erweitert. Die dort inhaftierten Gefangenen mussten in St. Georgen eine Stollenanlage für die Rüstungsindustrie unter dem Tarnnamen „Bergkristall“ errichten. Im 1944 wurde das Lager Gusen III im mehrere Kilometer entfernten Lungitz eröffnet. Es diente Versorgungszwecken. Von der Errichtung bis zu seiner Befreiung im Mai 1945 waren in den drei Lagern von Gusen mindestens 71.000 Gefangene aus fast 30 Nationen inhaftiert. Mehr als die Hälfte überlebte die Haft nicht.
Beteiligungsprozess und Masterplan Erweiterung KZ-Gedenkstätte Gusen
Ort | Gusen / St. Georgen |
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Jahr | 2021-2023 |
Funktionen | Masterplan |
Status | Abgeschlossen |
BGF | ~67750m2 |
LP | - |
Nach der Befreiung überbaute man große Teile der Lagerareale Gusen I und II mit einer Wohnsiedlung, andere wurden industriell genutzt. In den 1960er-Jahren ließen internationale Überlebendenorganisationen das Memorial de Gusen errichten. In dessen Innenbereich ist der Krematoriumsofen des Lagers erhalten. Seit 1997 liegt die Verantwortung für die Erhaltung des Memorial de Gusen bei der Republik Österreich. 2021/22 kaufte die Republik Österreich schließlich mehrere Grundstücke im Bereich des ehemaligen KZ Gusen I. Darauf befinden sich zwei ehemalige SS-Gebäude, der Schotterbrecher und Teile des ehemaligen Appellplatzes.
Ebenso erwarb sie ein Grundstück im Eingangsbereich des Stollensystems „Bergkristall“ in St. Georgen an der Gusen. Die Gedenkstätte erfährt damit eine wesentliche Erweiterung. Um von Beginn an eine möglichst breite Einbindung aller Interessensgruppen und Stakeholder zu gewährleisten, wurde als erster Projektschritt ein Beteiligungsprozess zur Erarbeitung eines Masterplans mit gestalterischen und funktionalen Richtlinien ins Leben gerufen. Während heri&salli als Architektenteam für die Erstellung des Masterplans auf Basis der im Beteiligungsprozess erzielten Ergebnisse verantwortlich sind, sind art:phalanx gesamtheitlich für den Beteiligungsprozess verantwortlich.
Historische
Funktionsbereiche
der Grundstücke
Semantische
Verbindungen
Vorhandene
Infrastruktur
Grundsätze / Strategien
Allgemein
Der Masterplan definiert mehrere Zonierungen wie z. B. eine übergeordnete Ankunftszone, kommunikative Zonen mit Gruppentreffpunkt-, Diskussions- und Vermittlungscharakter, als auch kontemplative Bereiche für introvertierte und individuelle Aufenthalte, sowie öffentliche Begegnungsorte. Einen sinnvollen Umgang mit den existierenden bzw. zukünftigen Gehölzstrukturen (z.B. als Puffer zu der Siedlung oder Wegbegleitung) wird angestrebt.
Historische Zusammenhänge zwischen den Grundstücken sowie historische und gegenwärtige Geräuschpegelsituationen sollen bei der künftigen Planung berücksichtigt werden. Die existierenden Gebäude sollen mit Präsentationen, Ausstellungen und Vermittlungsangeboten bespielt werden. Die Entwicklung eines innovativen Mobilitätskonzeptes inklusive zusätzlicher Synergien innerhalb der Gemeinden wird angestrebt und eine Übergangszone zu der stark befahrenen Georgestraße wird definiert.
Grundsätze / Strategien
Appellplatz
Das Gelände des Appellplatzes ist das größte der neu erworbenen Grundstücke und umfasst wichtige archäologische Funde sowie die Reste der ehemaligen SS-Gebäude und des Steinbrechers.
Die Nähe zur Georgestraße ermöglicht einen neuen, gut sichtbaren Eingangsbereich, neben welchem befindet sich eine bestehende Böschung. Innerhalb dieser Böschung sieht der Masterplan die Möglichkeit für ein neues Gebäude mit Empfangs- und Vermittlungsangebote vor (1). Auf dem Gebäude wird ein Mobility Point mit Parkplätzen für Besucher*Innen und Mitarbeiter*Innen vorgeschlagen (2).
Für die SS-Gebäude wird eine orts- und themenspezifische Wissensvermittlung empfohlen, wobei 1/3 der Gebäude als Platz für „Leere“ oder Ausstellungsbereiche vorgesehen ist (3). Der allgemeine Konsens des Beteiligungsprozesses ließ den Bereich des Appellplatzes frei von großzügigen räumlichen Eingriffen, während das Potenzial des Steinbrechers als Aussichtsplattform Gegenstand mehrerer Diskussionen war.
Letztendlich wurde eine mögliche Plattform aufgrund verschiedener Parameter wie Denkmalschutz, Zugänglichkeit, Privatsphäre der Anwohner*Innen sowie dem touristischen Aspekt eher kritisch gesehen. Es wird jedoch empfohlen, die freiliegenden Bereiche in der Erdgeschosszone und im Kellerbereich für einen Zugang in Betracht zu ziehen (4). Die Geländeoberkante vor dem Steinbrecher wurde um 3-4 m auf das jetzige Niveau angehoben und der Masterplan sieht eine Möglichkeit für einen Raum der Stille innerhalb des aufgefüllten Geländes vor (5).
Hinsichtlich der Zugänglichkeit ist für die von der Straße aus etwas versteckten Bereiche des Appellplatzes und des Steinbrechers ein eingeschränkter Zugang außerhalb der Arbeitszeiten vorgesehen. Dennoch bleibt das gesamte Areal von der höheren Lage der ehemaligen Remise aus jederzeit überblickbar (8).
Grundsätze / Strategien
Memorial
Das Grundstück „Memorial“ beinhaltet das Memorial selbst, sowie das derzeit in Betrieb befindliche Besucherzentrum. Die beiden Gebäude sollen mit kleinen Adaptierungen auch in Zukunft ihre Funktionen beibehalten (2).
Derzeit wird das Memorial sowohl von Autos als auch von Fußgänger*Innen über den Parkplatz im westlichen Teil des Grundstücks erreicht.
Der Masterplan schlägt einen neuen Parkplatz an der Georgestraße vor, der den Zugang zum Memorial zugunsten der Besucher*Innen und des Potenzials der Wissensvermittlung/Ausstellung im Freien beruhigen soll (1).
Die Wiese vor dem Memorial soll sowohl Besucher*Innen als auch Einheimischen einen hochwertigen öffentlichen Außenraum bieten (4). Maßnahmen, welche die Sicht auf das Memorial beeinträchtigen, sind zu vermeiden (5).
Grundsätze / Strategien
'Bergkristall'
Das Grundstück ‘Bergkristall’ und das Gemeindegrundstück (das im Rahmen des Masterplans berücksichtigt werden soll) enthalten vor allem die historischen und aktuellen Eingänge zu der Stollenanlage ‘Bergkristall’. Da der Stollen nur wenige Male im Jahr geöffnet ist, war eine potenzielle ganztägige Öffnung ein wichtiger Bestandteil der Diskussionen im Rahmen des Beteiligungsprozesses. Der Masterplan sieht vor, einen kurzen Abschnitt der Stollenanlage teilweise zu öffnen, damit sich die Besucher*Innen einen Eindruck von den Stollenbereichen verschaffen können (1).
Außerdem soll das Gelände einen neuen Mobility Point (2) an der Bahnhofstraße (mit Blick auf den Tunneleingang (3)) erhalten und die bestehende Infrastruktur des ‘Hauses der Erinnerung’ weiter nutzen.
Der öffentliche Bereich vor dem ‘Haus der Erinnerung’ sollte bei der anstehenden Gestaltung berücksichtigt werden, da er sowohl von Besucher*Innen als auch von der lokalen Bevölkerung, einschließlich Kindern, frequentiert wird und gleichzeitig den historischen Stolleneingang und die historische Schleppbahn beherbergt (4).
Die Böschung, in dem sich das Tunnelsystem befindet, wird im Masterplan als eine Reihe von informellen Wegeführungen und Interventionen gesehen, die es den Besucher*Innen ermöglichen, „Orte zu entdecken“ und eine an die Natur überlassene „kontemplative Zone“ zu betreten (5).
MASTERPLANERSTELLUNG
heri&salli
BETEILIGUNGSPROZESS
art:phalanx Agentur für Kultur & Urbanität
AUFTRAGGEBER
Mauthausen Memorial
TEAM
Rumena Trendafilova
Romana Languerova
LANDSCHAFTSARCHITEKTUR
(beratend)
zwoPK